Das Berliner Traditionsbier darf bei einem Hauptstadtbesuch natürlich nicht fehlen. In der wechselhaften Geschichte der Brauerei spiegelt sich das 20. Jahrhundert Deutschlands – im Guten wie im Schlechten.
Die Brauerei, die später unter dem Namen „Berliner Kindl“ berühmt werden sollte, wurde im Jahr 1872 als „Vereinsbrauerei Berliner Gastwirte zu Berlin AG“ gegründet. Fünf Gastwirte und drei Investoren legten ihr Geld zusammen und kauften Grundstücke in Neukölln. Ihr Ziel war es, als erste Berliner Brauerei ein untergäriges Bier herzustellen.
Nach knapp fünfzehn Jahren erreichte die Vereinsbrauerei immerhin die ansehnliche Jahresmenge von 100.000 Hektolitern Bier; und in den 90ern entschied man sich, ein untergäriges Spezialbier „nach bayerisch-münchener Art“ zu entwickeln – Das „Berliner Kindl“ war geboren. Freilich nicht in der Form, wie man es heute kennt: Ursprünglich hatte das Gebräu 13% Volumenprozent Alkoholgehalt, was die modernen Starkbiere noch um einiges übertrifft. Unter damaligen Biersorten immerhin war es ein Novum.
Das Kindl kam an: Innerhalb kürzester Zeit konnte die Brauerei ihre Produktion verdoppeln. 1907 beschloss man, sich ein neues Logo zu geben. Zu diesem Anlass wurde ein Wettbewerb veranstaltet, als dessen Gewinner Georg Räder hervorging. Sein „Goldjunge im Krug“ schmückt bis heute die Kindl-Flasche.
Aufgrund fehlender Arbeitskräfte und Rohstoffe sowie unverhältnismäßiger Preiswirtschaft ging der Absatz der Brauerei während des Ersten Weltkriegs deutlich zurück. Wenige Jahre später aber, als die Inflation in Deutschland ihren Höhepunkt erreichte, und schließlich mit Eintreten der Weltwirtschaftskrise, wuchs der Absatz beträchtlich – in wirtschaftlichen Krisenzeiten steigt der Alkoholkonsum.
Die Nazis machten die Brauerei zum „nationalsozialistischen Musterbetrieb“, doch unter dem Zweiten Weltkrieg litt das Unternehmen ungleich stärker als 1914-18. Ein Großteil der Mitarbeiter wurde zum Wehrdienst einberufen, Fahrzeuge beschlagnahmt. Behelfsweise fuhr die Straßenbahn das Bier aus.
Nach dem Krieg ließen die Sowjets große Anlagen der Brauerei abbauen und nach Russland verlagern; dementsprechend schleppend lief die Produktion mit improvisierten Gerätschaften wieder an. Zu Zeiten des wirtschaftlichen Aufschwungs in den 50er- und 60er-Jahren allerdings kam das angeschlagene Unternehmen wieder auf die Füße – und produziert seither eines der beliebtesten deutschen Biere.
Inzwischen ist die „Berliner Kindl“-Brauerei in die Oetker-Gruppe eingegliedert, und das Bier wird in Hohenschönhausen gebraut. Die ursprüngliche Brauerei in Neukölln steht unter Denkmalschutz, wird aber zurzeit nicht genutzt.
Super interessanter Artikel! Danke!!